Datenschutz vs. Meinungsfreiheit

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Mag. Hanns D. Hügel

Erstellt am 23. Februar 2022

Anfang Februar dieses Jahres erließ der OGH ein richtungsweisendes Urteil zu einer Lehrerbewertungs-App und entschied, dass anonyme Bewertungen von Lehrern durch Schüler mittels Sternen zulässig sind. Der OGH hatte eine Abwägung zwischen dem Recht auf Datenschutz der Lehrer und dem Recht auf Meinungsfreiheit der Schüler vorzunehmen. Im folgenden Beitrag wird auf diese konkurrierenden Grundrechte kurz eingegangen und die Begründung des OGH dargestellt:

Welche Daten sind durch das Datenschutzgesetz geschützt?

Das Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG schützt die Geheimhaltung von personenbezogenen Daten. Zusätzlich besteht das Recht auf Auskunft, das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässiger Weise verarbeiteter Daten. Unter personenbezogenen Daten können sämtliche Daten verstanden werden, die eine Identifizierung einer Person mit vertretbarem und rechtlich zulässigem Aufwand möglich machen.

Wann ist die Verarbeitung personenbezogener Daten zulässig?

In der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sind in Art 6 mehrere Gründe festgelegt, wann die Verarbeitung von personenbezogenen Daten rechtmäßig ist. Beispielsweise bei Einwilligung der betroffenen Person in die Datenverarbeitung. Personenbezogene Daten können insbesondere auch verarbeitet werden, wenn nachfolgende Voraussetzungen gegeben sind: Für die Verarbeitung muss von einem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von einem Dritten ein berechtigtes Interesse vorliegen, die Verarbeitung der personenbezogenen Daten muss dafür erforderlich sein und die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten Schutz genießen, dürfen nicht überwiegen.

Was ist das Medienprivileg?

Da die Meinungsäußerungsfreiheit und die Informationsfreiheit immer wieder in Konflikt mit dem Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen geraten, ist die Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken von der DSGVO bis zu einem gewissen Grad ausgenommen. Der Begriff Medienprivileg bezeichnet genau diese Ausnahme für die Datenverarbeitung durch Medienunternehmen, Mediendienste oder Mitarbeiter für publizistische Tätigkeiten. Im Ergebnis haben Medien gemäß Mediengesetz unter gewissen Voraussetzungen einen weiteren Spielraum zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten als sonstige natürliche oder juristische Personen. Die Befreiungen und Ausnahmen von Bestimmungen der DSGVO gelten nach der Rechtsprechung des EuGH daher nicht nur für Medienunternehmen, sondern für jeden, der journalistisch tätig ist. Dies kann auch für private Social-Media-Accounts gelten, wenn die Voraussetzungen einer journalistischen Tätigkeit erfüllt sind.

Was wird durch die Meinungs- bzw. Informationsfreiheit geschützt?

Die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit umfasst das Recht, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Davon sind nicht nur objektivierbare, allgemein gültige Werturteile, sondern auch anonyme Äußerungen und Tatsachenbehauptungen umfasst. Ebenso sind das Empfangen sowie die Weitergabe von Informationen und Ideen geschützt.

Wie verhalten sich Datenschutz und Meinungsfreiheit zueinander?

Das Recht auf Datenschutz schränkt die Meinungsfreiheit in gewisser Weise ein und umgekehrt. Daher ist im Einzelfall eine Abwägung vorzunehmen, auf welcher Seite ein schutzwürdigeres Interesse besteht und wann eine Einschränkung möglich ist.

Wie kann das Grundrecht auf Datenschutz gewahrt werden?

Bei unrechtmäßig verarbeiteten Daten kann der Betroffene Löschung begehren. Zur Wahrung des Rechts auf Datenschutz kann jede betroffene Person eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde erheben, wenn sie der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen die DSGVO verstößt. Dabei muss sich die Beschwerde auf die Verletzung des Grundrechts auf Geheimhaltung oder die Verletzung subjektiver Rechte des Betroffenen beziehen.

Wie erfolgte die Abwägung der Interessen im Fall der Lehrerbewertungs-App? Warum ist diese zulässig?

In der OGH-Entscheidung vom 02.02.2022 zur Geschäftszahl 6 Ob 129/21w wurde eine Abwägung getroffen, ob die erfolgte Datenverarbeitung gerechtfertigt ist. Zwar lehnte der OGH die Berücksichtigung des Medienprivilegs hinsichtlich der App ab, weil die Privilegierung von Datenverarbeitungen zu journalistischen Zwecken eines gewissen Maßes an journalistischer Bearbeitung und meinungsbildender Wirkung für die Allgemeinheit bedarf, weil ansonsten der Schutz der personenbezogenen Daten Betroffener allzu einfach ausgehöhlt würde. Die bloße Errechnung von Durchschnittsbewertungen stellt danach keine journalistische Tätigkeit dar.

Der OGH kam dennoch zum Ergebnis, dass durch die App ein berechtigtes Interesse wahrgenommen wird. So ist es in einer demokratischen Gesellschaft erwünscht, Kritik an Lehrern zu üben, weil sich Schüler ihre Lehrer nicht aussuchen können. Die Kritik darf in Form einer „Sterne-Bewertung“ geäußert werden, weil kein gelinderes Mittel zum Erreichen dieses Ziels möglich ist. Eine Pseudonymisierung der Lehrernamen würde mit einem Informationsverlust einhergehen und ist daher nicht erwünscht.

Danach wurde eine Abwägung der Interessen beider Seiten durchgeführt. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Einzelnen tritt danach im konkreten Fall hinter das Recht auf freie Meinungsäußerung zurück. Im vorliegenden Fall betrifft die Datenverarbeitung „nur“ das Berufsleben des Lehrers und nicht die Kernbereiche des Privat- und Familienlebens. Außerdem werden durch den App-Betreiber Maßnahmen zur Vermeidung von missbräuchlicher Verwendung gesetzt. Die App ermöglicht nur eine Bewertung mit Sternen und bietet keine Texteingabemöglichkeit. Die anonyme Meinungsäußerung im Internet dürfe gemäß OGH nicht von vornherein unterbunden werden, auch wenn eine Missbrauchsmöglichkeit nicht komplett ausgeschlossen werden kann. Die anonyme Abgabe von Bewertungen der Schüler schütze deren Meinungsfreiheit. Eine Namensnennung der Schüler würde davon abhalten, berechtigte Kritik zu äußern und würde daher die Meinungsfreiheit der Schüler zu weit einschränken.

Aus diesen Gründen ist gemäß OGH die Bewertung mit Sternen in einer Lehrerbewertungs-App zulässig. Wir dürfen gespannt sein, ob es in den nächsten Jahren zu einer Ausweitung und Ausdifferenzierung dieser Judikatur kommt.

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