Absolute Erbunwürdigkeit(sgründe)
Bei der absoluten Erbunwürdigkeit handelt es sich um Gründe, die so schwer wiegen, dass das Gesetz dem „Täter“ das Erbrecht entzieht, sofern dies dem vermuteten Willen des Verstorbenen entspricht. Diese Gründe sind in den §§ 539 und 540 ABGB geregelt.
Erbunwürdigkeitsgrund gemäß § 539 ABGB
Der § 539 ABGB umfasst vorsätzlich begangene gerichtlich strafbare Handlungen, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe begangen wurden. Diese Strafe muss gegen die Verstorbene:n (zB versuchter Mord) oder die Verlassenschaft (zB Unterschlagung oder Diebstahl einer zur Verlassenschaft gehörigen Sache) gerichtet sein. Erfasst sind nur gerichtlich strafbare Handlungen, also Verstöße gegen das Strafgesetzbuch und den dazugehörigen Sonderstraftatbeständen. Sowohl die Beteiligung an einer solchen Straftat als auch der Versuch ohne Erfolg führt zur Erbunwürdigkeit. Umfasst sind ausschließlich Vorsatzdelikte. Die Täter:in muss mit ihrem Vorhaben auf den Verstorbene:n oder die Verlassenschaft abzielen, oder auf beide. Unter der einjährigen Freiheitsstrafe ist die obere Grenze des Strafrahmens zu verstehen, denn diese bildet die maximale Strafe (zB Mord, Körperverletzungsdelikte, schwere Sachbeschädigung).
Es ist irrelevant, zu welcher Strafe die Betroffene tatsächlich verurteilt oder ob sie verurteilt wurde. Es muss auch überhaupt kein Strafverfahren stattgefunden haben oder die Täter:in kann auch freigesprochen worden sein. Allerdings liegt keine Erbunwürdigkeit vor, wenn ein Rechtfertigungsgrund (zB Notwehr, Einwilligung) oder ein Schuldausschließungsgrund (zB entschuldigender Notstand) im strafrechtlichen Sinne vorliegt – in diesem Fall würde es an der Straftat fehlen.
Aktuelle Entscheidung des OGH zu § 539 ABGB
Bei absoluten Erbunwürdigkeitsgründen ist ein aktueller Aspekt hervorzuheben: Wenn eine Erbanwärter:in eine strafbare Handlung nicht gegen die Erblasser:in persönlich, sondern gegen die Verlassenschaft begeht – etwa ein Vermögensdelikt –, so ist nach ständiger Rechtsprechung auf § 539 ABGB abzustellen. Dieser verlangt, wie bereits erläutert, dass die Tat mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat jedoch klargestellt (2 Ob 200/23k), dass bei der Beurteilung solcher Handlungen auch die Privilegierung des § 166 StGB (Begehung im Familienkreis) zu berücksichtigen ist. Diese Norm reduziert bei Vermögensdelikten unter nahen Angehörigen die Strafdrohung regelmäßig auf unter ein Jahr. Daher gilt: Absolute Erbunwürdigkeit liegt bei Straftaten gegen die Verlassenschaft nur dann vor, wenn die gleiche Tat – unter Berücksichtigung des § 166 StGB – auch bei Begehung gegen die Erblasser:in selbst mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht gewesen wäre. Dadurch wird verhindert, dass Taten gegen die Verlassenschaft strenger behandelt werden als gleichwertige Taten gegen die Erblasser:in selbst, was sonst zu verfassungswidrigen Wertungswidersprüchen führen könnte.
Erbunwürdigkeitsgrund gemäß § 540 ABGB
- 540 sanktioniert Handlungen, die auf die Vereitelung des wahren letzten Willens abzielen – darunter versteht man jede Beschränkung der Testierfreiheit der Verstorbenen. Diese Handlungen können unter dem Begriff „Vereitelungshandlungen“ zusammengefasst werden. Einer der folgenden Tatbestände muss erfüllt sein, damit ein solcher Erbunwürdigkeitsgrund gemäß § 540 ABGB vorliegt:
- Zwang oder arglistiges Verleiten zur Abgabe eines letzten Willens,
- das Hindern an der Errichtung einer letztwilligen Verfügung oder an einer Abänderung eines bereits bestehenden letzten Willens, sowie
- die Unterdrückung eines bereits bestehenden letzten Willens.
Diese Auflistung ist aber nur demonstrativ, das bedeutet das Vorliegen eines solchen Erbunwürdigkeitsgrundes ist nicht auf diese Tatbestände beschränkt. Vielmehr umfasst die Bestimmung alle Handlungen, die auf die Vereitelung des wahren Willens der Verstorbenen abzielen.
Eine solche Handlung liegt zB bei jeder Fälschung einer letztwilligen Verfügung, einer Vernichtung einer letztwilligen Verfügung sowie wenn wissentlich falsche Auskünfte bezüglich der erforderlichen Formvorschriften eines Testaments mitgeteilt werden. Auch wenn eine solche Handlung nach dem Tod der Verstorbenen vorgenommen werden, erfüllen sie den Tatbestand des § 540 ABGB. Im Unterschied zu § 539 ABGB muss die Handlung allerdings nicht strafbar sein. Ebenso irrelevant ist es, ob die verstorbene Person testierunfähig, das Testament ungültig war oder welches Motiv die handelnde Person hatte.
Eine weitere wichtige Voraussetzung ist, dass die Person mit Absicht gehandelt hat, allerdings reicht bereits der Versuch einer solchen Handlung aus. Das bedeutet, wenn die Person scheitert, dann reicht für die Erfüllung des Tatbestandes bereits der Versuch das Testament zB zu beseitigen, falls dieses doch wieder auftaucht.
In unserem nächsten Blogbeitrag gehen wir auf die relativen Erbunwürdigkeitsgründe näher ein.