Ausbildung, Fortbildung, Weiterbildung im Arbeitsrecht

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RA Mag. Hanns David Hügel, Nino Hölzl LL.B.

Erstellt am 16. Oktober 2023

Im Arbeitsrecht stehen sich die Interessen von Dienstgeber:innen (kurz „DG“) und Dienstnehmer:innen (kurz „DN“) gegenüber. Das Thema der Aus-, Fort- und Weiterbildung ist hier keine Ausnahme. DN wollen zusätzliche Kompetenzen erwerben, die sowohl im aktuellen Job als auch am Arbeitsmarkt verwertbar sein sollen. DG hingegen möchten sicherstellen, dass Investitionen in Bildungsmaßnahmen möglichst dem eigenen Unternehmen zugutekommen. An Brisanz gewinnt dieses Thema aufgrund zunehmender technischer Möglichkeiten und dem dadurch bedingten Bedürfnis nach neuen Kompetenzen (zB Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz, zunehmende Normendichte im Bereich Compliance, Fachkräftemangel).

Definitionen:

Eine einheitliche gesetzliche Differenzierung zwischen den Begriffen Aus-, Fort und Weiterbildung existiert nicht. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch werden diese Begriffe gern synonym verwendet.

  • Ausbildungen führen gemäß Rechtsprechung zum Erwerb neuer (Grund)Qualifikationen und vermitteln frisches Wissen. Nach § 2d AVRAG versteht man unter „Ausbildung“ den Erwerb von Spezialkenntnissen theoretischer und praktischer Art.
  • Fortbildungen hingegen dienen im Sinne der Rechtsprechung dazu, die Berufsausübung in gewohnter Qualität zu gewährleisten und vorhandene Fähigkeiten und Kenntnisse zu aktualisieren.
  • Weiterbildung zielt nach Rechtsprechung auf die Erweiterung der in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse ab.
  • Gemeinsam bezeichnen wir diese Begriffe nachfolgend als „Bildungsmaßnahmen“.

Ergebnis in aller Kürze:

  • DN haben dafür zu sorgen, für die vereinbarte Tätigkeit ausreichend qualifiziert zu sein. Für Schäden haften sie dem DG nach Maßgabe des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes (DHG). DG hingegen haften gegenüber Dritten für Schäden aufgrund mangelnder Qualifikation des DN.
  • Vertrag oder Gesetz können jedoch auch dem DG die volle Verantwortung für die Qualifikation des DN übertragen.
  • DN sind zur Fortbildung verpflichtet, wenn dies für die ordnungsgemäße Ausführung der mit dem DG vereinbarten Tätigkeit erforderlich ist.
  • In bestimmten Fällen (zB Gesetzesänderung im Berufsrecht) kann auch eine Pflicht zur Weiterbildung oder sogar Ausbildung des DN bestehen.
  • DG tragen die Kosten für Bildungsmaßnahen, wenn diese verpflichtend sind. Eine Rückerstattung von Ausbildungskosten an den DG ist im Rahmen des § 2d AVRAG (Vermittlung von wiederverwendbaren Spezialkenntnissen) zulässig.
  • Eine zwischen DG und DN abgestimmte Teilnahme an Bildungsmaßnahmen gilt grundsätzlich als Arbeitszeit.

Wer trägt die Verantwortung für Bildungsmaßnahmen?

Bestehen keine gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Bestimmungen, ist anhand des Dienstvertrages auszulegen, ob eine Pflicht des DN für Bildungsmaßnahmen besteht. Je nach Branche und Tätigkeit kann ein unterschiedlich ausgeprägtes Erfordernis des DN bestehen, sich fortzubilden. Entsteht durch mangelhafte Ausbildung dem DG ein Schaden, so ist der Schadenersatzanspruch gegenüber dem DN auch anhand des Ausbildungsstands zu beurteilen (§ 2 Abs 2 Z 3 DHG). Im Rahmen des „Rechts auf Beschäftigung“ kann ein Brachliegen von Fähigkeiten zu Schadenersatzansprüchen des DN dem DG gegenüber führen. Ob auch ein allgemeines Recht auf Fort- oder gar Ausbildung des DN besteht, ist nicht geklärt. Im Gesundheitsbereich zB bestehen teilweise solche Pflichten der Rechtsträger der Krankenanstalten ihren Ärzten gegenüber. Nach außen haftet allenfalls der DG für Schäden, die aufgrund eines mangelhaft qualifizierten DN einem Kunden oder sonstigen Personen entstehen.

Gibt es eine dienstvertragliche Verpflichtung zur Teilnahme an Bildungsmaßnahmen?

DN sind zur Erbringung der im Dienstvertrag vereinbarten Dienste verpflichtet. Das Weisungsrecht des DG erstreckt sich nur auf die im Vertrag festgelegte Arbeitspflicht und erlaubt es dem DG, die konkreten Aufgaben des DN unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse zu bestimmen. Der genaue Inhalt der Arbeitspflicht wird in erster Linie durch die individuelle Vereinbarung festgelegt. Bei Unklarheiten sind die allgemeinen zivil- und arbeitsrechtlichen Auslegungsregeln zu beachten.

Eine allgemeine vertragliche Verpflichtung des DN zur Fortbildung wird bestehen, wenn dies notwendig ist, um die dienstvertraglich vereinbarte Tätigkeit angemessen zu erfüllen. Eine Pflicht zur Weiterbildung besteht grundsätzlich nicht, wenn die Bildungsmaßnahme über den vereinbarten Tätigkeits- und Aufgabenbereich des DN hinausgeht. Ausbildungen können nur verpflichtend sein, wenn DN und DG einen neuen oder zusätzlichen Tätigkeitsbereich vereinbaren.

Die allgemeine vertragliche Verpflichtung zur Teilnahme an Bildungsmaßnahmen hat jedoch ihre Grenzen. Sie dürfen nicht den im Dienstvertrag festgelegten Aufgabenbereich verlassen. Darüber hinaus gehende Schulungen können nicht einseitig vom DG angeordnet werden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Fortbildung auch ohne gesonderte Vereinbarung vom DG angeordnet werden kann. Die Pflicht zur Absolvierung neuer Ausbildungen wird regelmäßig gesondert vereinbart werden müssen.

Wie verhalten sich gesetzlich vorgeschriebene Bildungsmaßnahmen dazu?

Gesetzlich vorgeschriebene (berufsrechtliche) Bildungsmaßnahmen, die zur Ausübung einer Funktion notwendig sind, muss der DN absolvieren. Insbesondere neue gesetzliche Regelungen können die dienstvertraglichen Pflichten verschärfen. So kann es zur Verpflichtung von Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen kommen. DN und DG müssen bei gelegentlich unklaren gesetzlichen Vorgaben darauf achten, auch die richtigen Veranstaltungen zu absolvieren bzw. anzuordnen.

Wer trägt die Kosten bei Bildungsmaßnahmen?

Wenn der DG gesetzlich oder kollektivvertraglich zur Bildungsmaßnahme gegenüber seinen DN verpflichtet ist, muss er die Kosten für die Schulung tragen. In solchen Fällen ist eine Verrechnung der Kosten dem DN gegenüber unzulässig. Diese Grundregel wird von Rechtsprechung und EU-Recht gestützt.

Der OGH vertritt, dass die Kosten für Bildungsmaßnahmen, die dienstvertraglich verpflichtend sind, vom DG zu tragen sind. Dies gilt weiters für Fortbildungen ohne spezielle vertragliche Vereinbarung, die notwendig sind, um die geschuldete Arbeitsleistung weiterhin ordnungsgemäß zu erbringen. Der Aufwand für Fortbildungen wird im Wesentlichen getätigt, um den Interessen des DG zu dienen, da dieser den DN nur einsetzen kann, wenn dieser zumindest theoretisch über die erforderlichen Kenntnisse verfügt.

Für Ausbildungen, bei denen Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt werden, die auch bei anderen DG verwertbar sind, kann der aktuelle DG Ausbildungskosten unter bestimmten Voraussetzungen zurückverlangen. Ein Ausbildungskostenrückersatz muss jedoch gesondert vereinbart werden, die Vorgaben des § 2d AVRAG sind zu beachten.

Gelten Bildungsmaßnahmen als Arbeitszeit?

Vom DG angeordnete Bildungsmaßnahmen zählen grundsätzlich zur Arbeitszeit. Ausschlaggebend ist, ob Bildungszeiten verpflichtend sind oder nicht. Wenn DN eigenständig Veranstaltungen besuchen, gilt die Faustregel, dass bei Zustimmung zu solchen Bildungsmaßnahmen durch den DG Arbeitszeit vorliegt. Eine schlüssige Annahme von vom DN eigenständig angetretener Bildungsmaßnahmen durch den DG, ist bei dessen Kenntnis vertretbar.

Fazit: Genaue vertragliche Regelungen sind empfehlenswert.

Bestehen keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben für Bildungsmaßnahmen, so ist eine klare Vereinbarung sinnvoll. DG und DN sollten Gesetzesänderungen und neue Anforderungen an die Funktion des DN im Auge behalten und idealerweise auch schon vertraglich berücksichtigen. DG sollten bei aufwändigen Ausbildungen jedenfalls eine Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz für den Fall abschließen, dass der DN frühzeitig ausscheidet.

Haftungsausschluss: Die Informationen in diesem Blogbeitrag dienen lediglich zu Informationszwecken und stellen keine Rechtsberatung dar. Für eine rechtlich verbindliche Beratung wenden Sie sich bitte direkt an mich.

Quellen: Michael Haider, DRdA 2023, 108 mwN; System- und Praxiskommentar, Gruber-Risak/Mazal, XX. 9.; § 2d AVRAG; OGH 9 ObA 131/15b zu den Begriffen Aus- Fort- und Weiterbildung und zum Recht auf Fortbildung von Ärzten; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 2d AVRAG Rz 7 (Stand 1.1.2018, rdb.at) zum Ausbildungsbegriff; Gruber-Risak/Pfeil zu § 1153 ABGB Rz 36 (Brachliegen von Fähigkeiten); VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0203 zum Fortbildungsbegriff.

Autoren: RA Mag. Hanns David Hügel, Nino Hölzl LL.B.

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