Arbeitnehmer:in im Sinne des § 1151 ABGB
Um festzustellen, ob ein:e Arbeitnehmer:in oder ein:e freie:r Dienstnehmer:in vorliegt, ist zunächst zu klären ob es sich um eine:n Arbeitnehmer:in im Sinne des § 1151 ABGB handelt. Wenn dies nicht der Fall ist, dann kann in einem weiteren Schritt geprüft werden, ob es sich um eine:n freie:n Dienstnehmer:in handelt. Ob ein:e Arbeitnehmer:in im Sinne des § 1151 ABGB vorliegt, ist von zwei wesentlichen Merkmalen geprägt – zum einen muss ein Dauerschuldverhältnis vorliegen und zum anderen muss die Person von der Arbeitgeber:in persönlich abhängig sein. Ein Dauerschuldverhältnis ist eine Beschäftigung auf unbefristete oder befristete Zeit, während der eine Arbeitsleistung geschuldet ist. Ein befristetes Dauerschuldverhältnis endet in der Regel mit Ablauf der vereinbarten Zeit, während ein unbefristetes Dauerschuldverhältnis in der Regel durch die ordentliche Kündigung beendet wird.
Die persönliche Abhängigkeit (OGH 9 Ob A37/25v) ist nicht so klar definiert, wie die Voraussetzung des Dauerschuldverhältnisses. Es handelt sich bei der persönlichen Abhängigkeit um einen sogenannten „Typusbegriff“. Das heißt die persönliche Abhängigkeit setzt sich aus einer Gesamtbetrachtung der im Folgenden genannten Merkmale zusammen: Einbindung in die betriebliche Organisation (zB Verwendung der vom AG zur Verfügung gestellten Betriebsmittel), Unterwerfung unter die betrieblichen Ordnungsvorschriften (zB Bekleidungsvorschriften, Rauch- bzw Alkoholverbot, „code of conduct“), persönliche Weisungsgebundenheit (zB Weisungen, wie, wann & wo er seine Arbeit zu erbringen hat), persönliche Arbeitspflicht (idR kein Vertretungsrecht), Kontrollunterworfenheit bezüglich der Einhaltung der betrieblichen Ordnungsvorschriften, der persönlichen Weisungen und der persönlichen Arbeitspflicht sowie die disziplinäre Verantwortlichkeit (zB Ermahnung, Vertragsauflösung bei Fehlverhalten).Diese müssen jedoch nicht alle vorliegen, sondern im Einzelfall nur überwiegen – wobei das Merkmal der persönlichen Arbeitspflicht am schwersten wiegt. Ist das der Fall, dann ist die persönliche Abhängigkeit zu bejahen und es liegt eine:n Arbeitnehmer:in im Sinne des § 1151 ABGB vor.
Freier Dienstvertrag
Wenn kein:e Arbeitnehmer:in im Sinne des § 1151 ABGB vorliegt, dann kann es sein, dass es sich um eine:n freie:n Dienstnehmer:in handelt. Ein freier Dienstvertrag liegt vor, wenn eine Person sich zu einer gattungsmäßig umschriebenen Arbeitsleistung (zB Buchhaltungsarbeiten) für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit verpflichtet. Als erste Voraussetzung muss daher wie bei einer Arbeitnehmer:in ein Dauerschuldverhältnis vorliegen. Wenn kein Dauerschuldverhältnis vorliegt, sondern ein Zielschuldverhältnis – dieses liegt vor, wenn die eine Vertragspartner:in der anderen ein bestimmtes Ergebnis schuldet – dann könnte ein sogenannter Werkvertrag vorliegen. Im Unterschied zur Arbeitnehmer:in im Sinne des § 1151 ABGB ist ein:e freie:r Dienstnehmer:in allerdings nicht persönlich abhängig von der Arbeitgeber:in – die Person ist also persönlich unabhängig. Wenn ein:e freie:r Dienstnehmer:in allerdings wirtschaftlich abhängig von der Arbeitgeber:in ist, dann kann es sich um eine sogenannte „arbeitnehmerähnliche Person“ handeln.
Welche Rechtsquellen kommen zur Anwendung?
Wenn eine Person Arbeitnehmer:in im Sinne des § 1151 ABGB ist, dann liegt ein normales Arbeitsverhältnis vor, auf das alle arbeitsrechtlichen Rechtsquellen zur Anwendung kommen. Im Falle eines freien Dienstverhältnisses kommt das Arbeitsrecht grundsätzlich nicht zur Anwendung, soweit keine Ausnahme ausdrücklich im Gesetz normiert ist. Es kommen jedoch einzelne Bestimmungen des ABGB analog zur Anwendung, wie zB die Entgeltbestimmungen, die Kündigungsbestimmungen in § 1159 ABGB sowie die Bestimmungen zur vorzeitigen Beendigung aus wichtigem Grund. Voraussetzung für die Anwendung von arbeitsrechtlichen Bestimmungen auf eine:n freie:n Dienstnehmer:in ist, dass diese nicht auf die persönliche Abhängigkeit und die sich daraus ergebenden besondere Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer:in abstellen. Wenn es sich bei einer freien Dienstnehmer:in auch um eine arbeitnehmerähnliche Person handelt, dann erweitert sich der Anwendungsbereich des Arbeitsrecht (siehe dazu in unserem nächsten Blogbeitrag „Arbeitnehmerähnliche Personen“).